Augustfehner Hof
Johann Friedrich Orth, der den Augustfehner Zweig der Orths begründete, gehörte zu den ersten Siedlern der „Fehnsiedlung im Bokelermoor“ (dem heutigen Augustfehn II), die 1850 den Namen Augustfehn-Kolonie bekam. Später betrieb er ein Gemischtwarengeschäft sowie eine Landwirtschaft und wurde 1850 erster staatlicher Fehnaufseher in Augustfehn. In dieser Funktion bemühte er sich, den Mangel an Unterkunftsmöglichkeiten für Geschäftsreisende, die das Eisenhüttenunternehmen nach Augustfehn brachte, zu beheben. Daraufhin errichtete er einen Gasthof in Augustfehn der später als „Augustfehner Hof“ bekannt war.
Das Aufblühen der neuen Kolonie, vor allem durch die Industrie, brachte auch seinem eigenen kaufmännischen Unternehmen Vorteile. Friedrich Orth muss sich zu jener Zeit ein gewisses Vermögen erworben haben, das es ihm ermöglichte, sich finanziell an anderen Unternehmen zu beteiligen. Durch seinen Schwager, Kapitän Hegemann, engagierte er sich in Reedereigeschäften, die jedoch unglücklich endeten. Ein Schiffstotalverlust verursachte so große Verluste, dass er den Augustfehner Hof verkaufen und sich auf sein ursprüngliches Geschäft beschränken musste.
Im Jahr 1860 wurde der Gasthof von Hermann Hinrich Vährmann (geb. am 6. Februar 1824 in Vechta) übernommen. Nachdem er sich am 25. Juni 1879 das Leben genommen hatte, übernahm sein Sohn Bernhard Johann Heinrich Vährmann die Gastwirtschaft. Bis ca. 1890 wurde das Gebäude unter dem Namen „AUGUSTFEHNER GASTHOF“ weitergeführt.
Im Jahr 1890 wurde der Augustfehner Gasthof verkauft und in Steinfeld’s Gasthof umbenannt. Der neue Besitzer, Oltmann Steinfeld (geb. 16. Januar 1857 in Vreschen-Bokel), bewirtschaftete ihn mit seiner Frau (Christiane) Helene (geb. Risch) von 1890 bis 1918. Durch sein Lohnfuhrwerk wurde er weit über die Grenzen des Ammerlandes hinaus bekannt. Er war ein eifriger Jäger, Fischer, Reiter und Schwimmer. Oltmann Steinfeld zeichnete sich durch seinen Humor und sein reges Interesse an Heimatbelangen aus. Seine Militärpflicht erfüllte er als Freiwilliger beim Oldenburgischen Artillerie-Regiment. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst trat er sofort dem Kriegerverein Augustfehn-Bokel bei, dem er 63 Jahre lang angehörte. Seit 1879 war Oltmann Steinfeld Mitglied des Männergesangvereins „Concordia“, wo er selten einen Singabend versäumte. Am 25. April 1925 wurde ihm eine Urkunde als Ehrenmitglied im Turnverein Augustfehn verliehen. Er verstarb am 28. Juni 1939 im Alter von 83 Jahren.
Alwin Brüggemann Senior (geb. am 1. März 1893 in Essen) und seine Frau Emmi kauften 1918 den „Gasthof Steinfeld“ und benannten ihn nach einem Umbau und einer Renovierung in „Augustfehner Hof“ um. Nach seinem Tod im Jahr 1955 übernahm sein Sohn Alwin den Betrieb.
Alwin Brüggemann hatte zunächst keinerlei Erfahrung im Gastronomiebereich, als er 1955 nach dem Tod seines Vaters in dessen Fußstapfen trat: „Ich wusste nicht einmal, was ein Kruiden ist“, erinnerte sich der agile Brüggemann in einem Interview der Nord-West-Zeitung. Vier Tage in der Woche fand ein Diskobetrieb statt. Nach nur zwei Stunden Schlaf bereiteten er und seine Frau das Frühstück für die Hotelgäste zu. Und wenn er morgens vor dem Haus fegte, grüßte er bereits die Frauen, die auf dem Weg zur Hosenfabrik waren.
Die Zeit des Kinos in Augustfehn begann gegen Ende der 1920er-Jahre. Die Filmvorführungen fanden in dem 1927 errichteten „Großen Saal“ statt. Direkt nach Kriegsende beschlagnahmten die Alliierten (Kanadier und Polen) den gesamten „Augustfehner Hof“ für ein bis zwei Jahre zur Unterbringung ihrer Soldaten. Sie veranstalteten im Kinosaal eigene 16-mm-Schmalfilm-Vorführungen. Nach ihrem Abzug beschlagnahmte die Gemeinde Apen den kleinen Saal, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Ab 1947/1948 fanden im Großen Saal wieder öffentliche Filmvorführungen statt. Zu dieser Zeit war Augustfehn ein Mitspielort des „Sieltheaters“ aus Wilhelmshaven.
Alwin Brüggemann, der Inhaber der „Augustfehner Lichtspiele“, reagierte auf die gestiegene Kino-Nachfrage, indem er die Sitzplatzzahl auf 400 erhöhte und die Spieltage auf bis zu fünf Tage in der Woche ausdehnte. Ab 1957 konnten kaschierte Breitwandfilme gezeigt werden, zwei Jahre später auch Filme im Cinema Scope-Format.
Anfang der 1970er-Jahre wurden an vier bis fünf Tagen in der Woche Filme vorgeführt. Alwin Brüggemann koordinierte das Programm des 400 Plätze zählenden Kinos gemeinsam mit Wilhelm Grambart. Herr Grambart betrieb in Bad Zwischenahn ein großes Kino. Im ganzen Ammerland und Umgebung war er als „Kino Willi“ bekannt. Als Einzelbetreiber wäre es Alwin Brüggemann kaum möglich gewesen, bekannte und aktuelle Filme zu zeigen.
Auch in kleinen Orten wurde ein breites Familienprogramm angeboten, um möglichst alle Altersgruppen anzusprechen. Als die Aufklärungsfilme von Oswalt Kolle gezeigt wurden, mussten Frauen und Männer getrennt im Saal sitzen.
Neben den Kinovorführungen fanden samstags Tanzveranstaltungen mit Musikkapellen aus der Umgebung in besonderem Ambiente statt. Die Besucher saßen an Tischen mit weißen Tischdecken. Heute würde man das als altmodisch empfinden. Über die Grenzen von Augustfehn hinaus entwickelte sich der Augustfehner Hof zu einem beliebten Tanzlokal.
Etwa 1985 verlegte Alwin Brüggemann sein Kino in den kleinen Saal. Aufgrund des Besucherrückgangs ließ sich der 400 Personen fassende Saal nicht mehr füllen. Zudem war die Atmosphäre im kleineren Saal mit bis zu 55 Zuschauern angenehmer. In den folgenden Jahren gab er das Verzehr- und Raucherkino an Jürgen Nowak ab.
Die Kinovorführungen im kleinen Saal schufen die Möglichkeit zu mehr Tanzveranstaltungen im großen Saal. Alwin Brüggemann schaffte es berühmte Musiker wie Drafi Deutscher, Rattles und die Lords für den Augustfehner Hof zu engagieren.
Eine besondere Idee von Alwin Brüggemann war die Aufstellung von Tischtelefonen bei den Tanzveranstaltungen. So konnten die Herren die Damen an den Nebentischen zum Tanz auffordern.
Noch einmal wurde der „Augustfehner Hof“ zum Treffpunkt, als dort 1994 eine Diskothek (Merlin) einzog. Zwei Jahre später verkaufte Alwin Brüggemann das traditionsreiche Gebäude, das anschließend zunehmend verfiel.
1996 wurde das Gebäude an die Familie Meisel verkauft.
Im Jahr 2011 wurde der Augustfehner Hof abgerissen, was bei vielen Einwohnern Bedauern und Nostalgie auslöste, da mit ihm ein Stück Ortsgeschichte verloren ging. An seiner Stelle entstand ein modernes Einkaufszentrum, das heute das Ortsbild prägt.
Mit dem Augustfehner Hof verbinden viele Augustfehner schöne Erinnerungen. Im Saal wurde getanzt, Musik gehört und so manche große Liebe gefunden.
Hans-Hermann van Lengen
05.03.25
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