Gasthof zur Eisenhütte
Der Gasthof zur Eisenhütte wurde im Jahr 1852 von der Eisenhüttengesellschft erbaut. Das Gebäude befand sich in Augustfehn an der Bahnhofstraße und war zunächst als Gasthaus mit angeschlossener Restauration und Übernachtungsmöglichkeiten gedacht. Der Name "Eisenhütte" verweist auf die industrielle Prägung des Ortes, der für seine Eisenverarbeitung bekannt war.
Als erster Pächter ist Mense Jacobs Fimmen (geb. am 23. Februar 1830) aus Carolinensiel bekannt. Er war vorher als Bierbrauer und als Wirt im Bahnhofsrestaurant auf dem Bahnhof in Stickhausen tätig. Er starb am 12. Oktober 1880. Seine Frau Louise Friederike geb. Albrecht führte die Gastwirtschaft weiter. Sie starb am 30. Januar 1892 an den Folgen einer Influenza.
Im Jahre 1860 beschloss die Großherzogliche Oldenburgische Postverwaltung ein Postamt in Augustfehn einzurichten. Es wurde ein Dienstzimmer im Gasthof zur Eisenhütte eingerichtet. Mit der aufblühenden Industrie, der wachsenden Bevölkerung und dem damit verbundenen erhöhtem Postaufkommens reichte das Dienstzimmer nicht mehr aus. Postverwalter Fischer errichtete im Jahre 1895 ein Gebäude in dem das Postamt untergebracht wurde. So war eine 35- jährige Postgeschichte eng mit dem Gasthof zur Eisenhütte verbunden.
Der Gasthof wurde dann am 1. Oktober 1898 für 30.000 Mark an die Brauerei Hoyer & Sohn aus Oldenburg verkauft. Als Pächter wurde der aus Oldenburg stammende Moritz Müller (geb. am 1. Juni 1858) eingesetzt. Er betrieb sowohl den Gasthof und das Hotel und das Bahnhofsrestaurant. Nach 8 Jahren wurde Herr Müller zum 01. November 1906 von der Großherzoglichen Eisenbahndirektion zum Bahnhofsrestaurateur in Bremen Neustadt ausersehen. Herr Müller galt weit über Augustfehn hinaus als tüchtiger Wirt und war auch als Mensch sehr beliebt.
Am 1. November 1879 bekam die katholische Gemeinde in Augustfehn einen eigenen Seelsorger. Es war Kaplan Heinrich Nieberding aus Steinfeld. Dieser wohnte zunächst noch in Barßel, siedelte aber bald nach Augustfehn über und wohnte dort im Hotel zu Eisenhütte zur Miete. Bald stellte sich heraus das die Mietwohnung für den Kaplan der Gemeinde eine Zumutung war. Unter dem Kaplan Heinrich Kühling aus Emsteck wurde deshalb ca. 1886 eine Kaplanei gebaut.
Als Nachfolger von Herrn Müller führte Friedrich Anton Elimar Lübben (geb. am 4. März 1875 in Stollham) den Gasthof zur Eisenhütte. Herr Lübben betrieb zuvor die Bahnhofswirtschaft in Eversten und übernahm nach seinem Weggang die Bahnhofsrestauration in Nordenham.
Im Januar 1918 wurde dann der Gasthof für 36.000 Mark an Johann Anton Tietjen aus Oldenburg verkauft. Herr Tietjen (geb. am 5. November 1854 in Obenstrohe) war einige Zeit in London tätig, wo auch seine Kinder geboren wurden und übernahm nach seiner Rückkehr nach Deutschland die Hegelsche Wirtschaft an der Donnerschweer Straße in Oldenburg. Anschließend übernahm er den Grünen Hof der später das Vereinslokal vom VFB Oldenburg wurde. Zwischendurch war Herr Tietjen zehn Jahre lang Inhaber des Friesischen Hofs in Nordenham. Johann Tietjen und seine Frau Magdalene bewirtschafteten den Gasthof zur Eisenhütte von 1918 bis 1921. Zwischenzeitlich waren auch seine Tochter Frederica und sein Schwiegersohn Gerhard Heyken im Gasthof tätig. Im November 1921 zogen Johann und Magdalene zu ihrem Sohn nach Texas um dort ihren Lebensabend zu verbringen.
Der Gasthof entwickelte sich während der Zeit zu einem wichtigen Treffpunkt in Augustfehn. Historische Postkarten zeigen das Gebäude mit einem großen Garten und ländlichem Charme. Die Gaststätte diente sowohl der lokalen Bevölkerung als auch Reisenden. Die Nähe zum Bahnhof machte sie zu einem bedeutenden Ort für Übernachtungen und Geselligkeit.
Der Arzt Dr. Heinrich Johann Christian Niemann aus Detern ließ sich im Jahr 1919 in Augustfehn nieder. Er richtete im Gasthof zur Eisenhütte eine Arztpraxis ein.
Nach der Aufgabe der Gaststätte durch die Familie Tietjen kaufte Dr. Niemann das Anwesen.
Dr. Heinz Niemann war auch ein lokaler Widerstandskämpfer. Sehr wohl wissend, sich damit in Lebensgefahr zu begeben, bemühte er sich dennoch Angehörige des Ende 1944 einberufenen Volkssturms daran zu hindern, kurz vor dem absehbaren Kriegsende auf der Straße nach Holtgast noch Panzersperren zu errichten. Er argumentierte mit der erhöhten Gefahr für Leib und Leben der Dorfbewohner und mit der Sinnlosigkeit des Tuns, da der Krieg sowieso bereits verloren sei. Es gelang ihm zwar, den Volkssturm zu überzeugen und die Panzersperre zu verhindern, was sicherlich vielen Augustfehnern das Leben rettete, darunter sicherlich auch vielen Nazis. Er wurde aber angezeigt, verhaftet, ins Konzentrationslager verbracht und zum Tode verurteilt. Nur durch Intervention eines einflussreichen Kollegen konnte er dem bereits sicheren Tod am Strang entgehen.
Dr. Heinz Niemann war eine prominente Persönlichkeit in Augustfehn und genoss große Beliebtheit in der Region. Unter seiner Leitung wurde die ehemalige Gaststätte zum Zentrum der medizinischen Versorgung in Augustfehn. Er war nicht nur ein geschätzter Arzt, sondern auch politisch aktiv. Er gehörte ab dem 30. Januar 1946 dem Ernannten Landtag von Oldenburg an. Seine Tätigkeit als Arzt und politischer Akteur prägte das öffentliche Leben in Augustfehn nachhaltig.
Im Jahr 1925 wurde die Blutbuche im Park des Anwesens unter Naturschutz gestellt. Diese beeindruckende Buche mit einem Stammumfang von 6,50 Metern ist bis heute ein Wahrzeichen des Grundstücks. Der Wandel von einem Gasthof zu einer Arztpraxis zeigt den Übergang von einem geselligen Treffpunkt hin zu einem Ort der Fürsorge und Heilung.
1959 trat sein Sohn Dr. Edo Niemann mit in die Praxis ein und Vater und Sohn praktizierten eine Zeit gemeinsam. In Halle studierte Edo Niemann Medizin und errang den Facharzt für Innere Medizin. Bis zu seinem Ruhestand 1989 führte er die Praxis in Augustfehn fort.
Mit dem Fortschreiten des Jahrhunderts verlor das Gebäude seine ursprüngliche Funktion. Die ehemalige Gaststätte wurde vollständig in eine Arztpraxis umgewandelt und später Teil des lokalen kulturellen Erbes. Das Gebäude bleibt eine Erinnerung an die Geschichte Augustfehns und spiegelt die Entwicklung des Ortes von einem Industriezentrum zu einem Wohn- und Lebensraum wider. Das Anwesen wurde weiterhin als Arztpraxis genutzt und blieb zugleich Wohnsitz der Familie Niemann. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Grundstück, einschließlich des großzügigen Parks, zu einem kulturellen und sozialen Mittelpunkt der Gemeinde.
Im Februar 2015 wurde die sogenannte Niemann-Villa abgerissen, nachdem sie als baulich zu instabil für eine Restaurierung befunden wurde. Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt über 160 Jahre alt.
Das Gebäude und Grundstück waren vorher von der Firma CSB Computer Software Branchenlösung von Bruns & Börjes erworben worden. Die neuen Besitzer schufen 2015 ein großes Bürogebäude und zogen hier mit den Mitarbeitern ihrer Firma CSB ein. Auch eine Wohnung wurde im oberen Stockwerk eingerichtet.
Hans-Hermann van Lengen
05.03.2025
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